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#paradies
Texte
#paradies
(serial paradies) führt unsere theatrale Forschungsarbeit zu Wahrnehmungskonzepten
zwischen Mimesis und Simulation fort. Um die Konstitution von Paradiesvorstellungen
zu beleuchten, erweitern wir den Ansatz gegenseitiger Verschränkung der Bereiche
Stimme, Körper und Musik, den wir mit #medea bereits
erprobt haben, um den Bereich technisch reproduzierender Medien. Paradiesvorstellungen
und Virtualität weisen Parallelen auf: Sie etablieren ein antagonistisches
Verhältnis von Körper und Geist, von Sinn und Sinnlichkeit. Ihr inneres Paradoxon:
Ein Zustand, der abgelöst von allen bisher gültigen wahrnehmbaren Erfahrungen
existieren soll, aber nur durch metaphorische Rückgriffe auf eine sinnliche
Existenz kommunizierbar wird. "Paradies" ist in den Theorien ein Zustand,
in dem Raum und Zeit sich gegenseitig aufheben; es ist die Utopie eines Universums,
das unendlich gegenwärtig ist und sich somit jeder Erfahrbarkeit verschließt.
Es bleiben Formen einer Vermittlung durch verschiedene Wahrnehmungssysteme
wie Bildlichkeit oder Text, deren Charakter nur beschreibend sein kann und
die somit immer schon den Bruch vollziehen.
#paradies
positioniert die Zuschauer in einer variablen Bühneninstallation. Sie werden
zu Partikeln einer theatralen Phantasie, die im Zusammenwirken und in der
Konfrontation von direkten und gesampleten Stimmartikulationen, Körpern und
Körperkopien, von Schrift-Bildern und Kopier-Rhythmen die Grenze zwischen
"Original" und "Kopie" verschwimmen läßt. In einem Raum aus beweglichen Projektionsflächen
treffen acht Performer auf Video- und Diaprojektionen, auf "Abbilder" ihrer
Körperlichkeit (Körper, Stimme), zu denen sie wie auch die Zuschauer sich
verhalten müssen. Zwischen diesen drei Elementen der theatralen Versuchsanordnung
- Performern, Zuschauern und Medien - wird dem Dilemma Paradies nachgespürt.
#paradies-Projektion
Die Projektionen arbeiten u.a. mit Körperbildern der Performer, die in
unterschiedlicher Weise bearbeitet und verfremdet werden. Die beweglichen
Projektionsflächen zeigen in ihren verschiedenen Positionen jeweils wechselnde
Bildausschnitte. Den Kopierer in der Mitte des Raumes nutzen die Darsteller,
um Abbilder ihres Körpers, einzelner Körperausschnitte oder Schriftzüge herzustellen,
die eine im Inneren des Kopierers installierte Kamera auf die Wände überträgt.
Außerdem erzeugt der Kopierer die klangliche Grundstrukturen und Lichteffekte.
#paradies-Raum
Wir arbeiten im "nackten" Theaterraum ohne Bestuhlung. Der Raum, den wir
innerhalb des Theaterraumes etablieren, ist eine Art umgekehrte Manege, ein
Achteck, in dessen Innerem sich die Zuschauer und zeitweise auch die Darsteller
befinden. Die Wandflächen sind je nach Lichteinfall transparent oder projizierbar.
Außerhalb begrenzt ein quadratisch verlaufender Steg, an einer Seite abschließend
auf den Treppen der regulären Zuschauertribüne den Raum und dient den Performern
als Bewegungsfläche.
#paradies-Bewegung
Der Körper wird zum einen auf Materialität und Funktionalität hin untersucht
werden. In dieser Bearbeitung spielen repetitive Bewegungselemente eine wichtige
Rolle, da sich diese der gegenseitigen Aufhebung von Raum und Zeit annähern,
die für paradiesische Zustände konstitutiv ist. Andererseits dienen die Körper
als weitere Projektionsflächen im Raum, was durch funktionale, helle Kostüme
unterstützt wird.
#paradies-Klang
Die Performer werden durch ihre Anordnungen im Raum diesen durch ihre
Stimmen auch akustisch immer wieder neu strukturieren. Über die Stimmen werden
durch Klangfarbe, Höhen und Lautstärke verschiedene Zustände erzeugt, Live-Material
trifft dabei auf Kopiergeräusche und digital bearbeitete Klänge.
#paradies-Inszenierung
Haiko Pfost war Dramaturg des Theaters ONDA bei der Produktion von Peter
Turrinis "Rattenjagd" und wirkte als Darsteller in den Inszenierungen "Woyzeck"
und "Das Märchen von Einem der auszog das Fürchten zu lernen" von Michael
Simon an der Schaubühne am Lehniner Platz mit. 1999 stellte Haiko Pfost seine
Opera für Stimme, Leib, Querflöte, "#medea" mit einem Ensemble von rund 40
Künstlern mit großem Erfolg im Theater am Halleschen Ufer vor. Er studiert
Theaterwissenschaft, Religionswissenschaft und Psychologie an der Freien Universität
Berlin.
Jan-Philipp Possmann absolvierte seine ersten Assistenzen am Theater in den
Bereichen Technik, Künstlerische Leitung und Dramaturgie in den USA und in
Deutschland am TAT/Theater am Turm unter Tom Stromberg sowie an der Oper Frankfurt
unter Sylvian Cambreling. Von 1994 bis1997 war er Regieassistent beim Weilheimer
Theatersommer unter Cordula Trantow und arbeitete 1998/99 ebenfalls als Regieassistent
für die Choreographin Anna Huber in Berlin. Seit 1996 studiert Jan-Philipp
Possmann dort Theaterwissenschaft, Politikwissenschaft und Kulturwissenschaft.
#paradies-Raum
Alexander Schellow wurde zunächst von Prof. Heinz Trökes gefördert, nachdem
dieser auf die Zeichnungen des damals Elfjährigen aufmerksam geworden war.
Kontakte zu Prof. Eisler in Wien und Prof. Heiliger in Berlin schlossen sich
an. Seit 1995 studiert Alexander Schellow Freie Kunst an der Hochschule der
Künste Berlin in der Fachklasse von Prof. Marwan. Er beteiligte sich an diversen
Ausstellungen, zuletzt "Junge Zeichnung 99" (HdK/Akademie der Künste Berlin)
und "Mawan und Freunde" (Galerie Tamen und Busch, Berlin). Parallel ist er
verstärkt als Bühnenbildner tätig, zuletzt "Die Zauberflöte" (Junge Kammeroper
Köln, Tournee u.a. fringe Festival der Bregenzer Festspiele 1998), "Mio, mein
Mio" (Kinderoper, UA: Foyer Deutsche Oper Berlin, 1999), "Ein Barbar auf Reisen"
(Tanzstück von Torsten Donat, Tacheles Berlin, 2/2000).
#paradies-Projektionen
Tom Scheele wuchs von 1989 bis 1998 in Barcelona auf. 1996/97 verbrachte
er in Arhus/Dänemark, wo er die Kunsthochschule besuchte. Zurück in Spanien
nahm er 1997 sein Studium im Fach Industie-Design an der BCN Escola Massana
auf und wechselte 1998 an die Hochschule der Künste Berlin mit Schwerpunkt
Medien. Hier studiert er in der Fachklasse von Prof. Burkhardt Schmitz.
#paradies-Klangregie
Christian Messer studierte zunächst Medizin in Ulm, Berlin und Zürich.
In Berlin absolvierte er zusätzlich Nebenstudien in Musiktherapie und Tonsatz
an der Hochschule der Künste. Nach ärztlichen Kliniktätigkeiten in Hamburg
und Berlin in den Bereichen Innere Medizin, Psychiatrie und langjährig in
der Psychotherapeutischen Medizin, promovierte Christian Messer an der Freien
Universität Berlin über "Musiktherapie und Schizophrenie". Nach erneuter Vertiefung
der musikalischen Studien liegt sein beruflicher Schwerpunkt seit eineinhalb
Jahren auf der Musik. Christian Messer war Komponist und Musikalischer Leiter
bei "#medea" und kreierte Musik/Sound u.a. für das Teatr Kreatur ("Meier muß
Suppe essen", R: Andrej Woron, 1999) und die ivy theatre company (Beckett
Hörspiele "Rough for Radio 1&2", 1999; Beckett's "Play" und "Catastrophe",
1/2000) bei den Friends of Italian Opera.
#paradies-Choreographie
Sigrid Westenfelder absolvierte ihre Tanzausbildung an der School voor
dans ontwickeling in Amsterdam und mit Diplomabschluß am European Dance Developement
Center der Kunstschule Arnheim. Sie war Tanzpädagogin und Bewegungslehrerin
in Köln und als Regieassistentin am Pariser Theatre demodesastre und an der
Neuköllner Oper in Berlin tätig. Als Performerin war Sigrid Westenfelder in
zahlreichen Tanz- und Theaterprojekten engagiert (Nominierung für den Kölner
Theaterpreis 1996, Einladung zum Theaterfestival "Theaterszwang" NRW, Tourneen
u.a. nach Holland, England, Frankreich, Indonesien). Mit eigenen Regie- und
Choreographiearbeiten war sie bei Festivals in Deutschland, Holland und Marokko
zu Gast. In Berlin war zuletzt ihr Stück "Living Dolls" beim Mille Plateau
Festival 1999 der Volksbühne zu sehen.
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